Kaizen: Ständige Verbesserung in Unternehmen

Im Geschäftsleben ist Kaizen seit den 90er Jahren zu einem festen Begriff, ja zu einer Philosophie geworden. Mittlerweile ist es eines der besonders häufig nachgefragten Konzepte. Kaizen ist eng mit dem Lean Management verbunden, und nicht nur die Führungsebenen von Unternehmen, sondern auch die Mitarbeiter wissen die Methode zu schätzen.

Das japanische Wort Kaizen bedeutet wörtlich übersetzt: „Ein Handeln, um das Schlechte zu verbessern“. Im allgemeinen Sprachgebrauch seiner Vertreter hat sich die Kurzform „Veränderung zum Besseren“ mittlerweile etabliert. Gemeint ist allerdings nicht in jedem Fall, dass die Optimierung kontinuierlich stattfindet.

Die Auswirkungen des Marshall-Plans auf Toyota

Im modernen Sinn ist der Begriff in den Werken des Autoherstellers Toyota entstanden. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden im Zusammenhang mit dem Marshall-Plan amerikanische Berater auch nach Japan entsandt, die auf die japanischen Unternehmen einen nachhaltigen Einfluss ausübten. Aber die Unternehmer aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ besannen sich auch auf ihre eigenen Traditionen. Noch heute ist das Toyota-Produktionssystem eng mit den Begriffen Kaizan und Lean Management verbunden.

Die amerikanischen Besatzer führten unter anderem neue Arbeitsgesetze ein. Die Position der Beschäftigten wurde gestärkt, und die Gewerkschaften konnten in Verhandlungen weitreichende Zugeständnisse für die Mitarbeiter erreichen. In Zukunft wurden Arbeiter nicht mehr von Angestellten unterschieden. Entlassungen wurden erschwert, den Arbeitnehmern wurde eine Gewinnbeteiligung in Form eines Bonus zugesichert.

Wirtschaftliche Entwicklung und Tradition

Toyota befand sich, wie die gesamte japanische Wirtschaft, in einer verheerenden Situation und wollte 25 Prozent der Beschäftigten entlassen. Nach einem hart geführten Arbeitskampf handelten die Gewerkschaften und die Familie Toyota eine Vereinbarung aus, die heute noch Grundlage für das Verhältnis von Unternehmen und Beschäftigten in der Autoindustrie in Japan ist. Zwei Garantien wurden vereinbart: Lebenslange Beschäftigung und eine neue Art der Lohnberechnung. Nicht mehr die Tätigkeit war Grundlage und Massstab für die Bezahlung, sondern die Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen.

Damit waren die Arbeitskräfte nicht mehr als kurzfristige Kosten anzusehen. Vielmehr musste man nun feststellen, dass sie als Fixkosten teurer waren als die Maschinen des Unternehmens.
Denn diese wurden abgeschrieben und am Ende verschrottet, die Beschäftigten mussten aber als Humankapital über 40 Jahre Gewinn einbringen. Somit war ein Klima entstanden, das deine ständige Verbesserung der Fähigkeiten jedes einzelnen geradezu zwingend erforderlich machte. Das vorhandene Wissen, die Erfahrung und die Arbeitsleistung waren optimal zu nutzen. Und die traditionsbewussten Japaner verbanden die neuen wirtschaftlichen Anforderungen mit den Prinzipien ihrer ureigenen Philosophie.

Kaizen in der Unternehmenspraxis

In der betrieblichen Praxis ist Kaizan eine Sammlung einfacher Prinzipien. Sie sollen helfen, die Arbeitsergebnisse zu verbessern. Aber auch eine Management-Philosophie ist mit der Zeit entstanden, die in sehr vielen Unternehmen die Abläufe revolutioniert hat. Jeder einzelne Mitarbeiter ist aufgefordert, seine Tätigkeiten und das Umfeld seines Arbeitsplatzes ständig kritisch zu bewerten und die Arbeitsweise immer wieder zu optimieren.

Aber auch die gesamte Organisation der Produktions- und Vertriebsstrukturen soll neu gedacht werden. Nach der traditionellen Denkweise, die mit der asiatischen Philosophie eng verbunden ist, geht es nicht nur um die Orientierung an Ergebnissen. Wesentlich ist vielmehr das Optimieren des Gewinns. Dafür ist aber eine hohe Kundenzufriedenheit die Voraussetzung. Also gilt es, die Prozesse immer weiter zu verbessern und durch Innovation die Kundengewinnung zu gewährleisten.

Interne und externe Kunden

Die Kunden werden nach den Kaizenprinzipien in externe und interne Kunden unterschieden. Als extern wird der Endverbraucher bezeichnet, aber auch im eigenen Betrieb werden die verschiedenen Abteilungen als Kunden aufgefasst. Kann eine nachgeordnete Produktionseinheit Mängel an einem Vorprodukt feststellen, informiert sie den Urheber des Problems. Damit vermeidet man Folgefehler, die an den Schnittstellen in Unternehmen häufig auftreten. Deshalb tritt die Qualitätssicherung in den Vordergrund, auch im Sinne der Zufriedenheit der „Kunden“ und der Kostensenkung. Um bessere Leistungen anbieten zu können und Mängel abzustellen, sind zusätzlich Kundenbefragungen ein wesentliches Instrument.

Qualität durch Kontrolle

Um die Produkte zu optimieren und die Zufriedenheit der Kunden auf Dauer zu garantieren, bedarf es hoher Ansprüche an die Erzeugnisse und einer ständigen Kontrolle über die Realisierung der Standards. Im Total-Quality-Management führen die Unternehmen eine ständige Qualitätskontrolle durch. Bereits während der laufenden Produktion werden aufwendige Messverfahren angewendet und die Ergebnisse der Fertigung ständig überwacht. Anspruchsvolle Qualitätsstandards dienen als Orientierung und sind in Kennzahlen präzisiert.

Ständige Kritik als Voraussetzung für die Verbesserung

Wenn Optimierungen die Kundenzufriedenheit fördern, ist die Kritik an den hergestellten Produkten eine Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens. Deshalb wird diese nicht nur einfach erlaubt, sie ist sogar erwünscht. Jeder einzelne Mitarbeiter im Unternehmen ist gefordert, Verbesserungsvorschläge einzubringen. Das Management hat die Anregungen konstruktiv zu verwerten und umzusetzen.

Dabei überprüft die Leitungsebene die Vorschläge auf Nutzbarkeit. Und bei einer positiven Gesamtbeurteilung wird die Neuerung in den Fertigungsprozess integriert. Das Ergebnis ist ein sich stetig fortsetzender Zyklus, der mit der Planung beginnt. Dann folgt die eigentliche Tätigkeit mit anschliessender Kontrolle. Schliesslich kommt es zur Verbesserung, und so ergibt sich der PCDA-Zyklus aus den Komponenten Plan, Do, Check, Act. So werden alle Vorgänge in einem Unternehmen immer wieder analysiert und durch Verbesserungen ständig weiterentwickelt.

Methodisches Vorgehen auf allen Ebenen des Betriebs

In die Optimierung der Abläufe sind alle Mitarbeiter des Unternehmens unmittelbar eingebunden. Jeder einzelne soll einen entsprechenden Anteil der Arbeitszeit in die Methode investieren und sich für die Umsetzung engagieren. Ihrer Funktion entsprechend entfallen auf die einzelnen Mitarbeitergruppen unterschiedliche Aufgaben.

Das obere Management definiert die Prinzipien, fördert ihre Umsetzung und überwacht die Resultate. Seine Aufgabe ist es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Im mittleren Management werden diese Vorgaben umgesetzt. Das Einhalten der Standards ist zu garantieren, Schulungen werden angeboten, um die kritische Denkweise bei den Mitarbeitern zu etablieren. Teamleiter und Meister unterstützen ihre Angestellten, wenn sie Kritik äussern und neue Ideen von ihnen vorgeschlagen werden. Das Erfolgs-Controlling fällt in ihre Zuständigkeit. Die Sachbearbeiter und Arbeiter auf den operativen Ebenen entwickeln Verbesserungsvorschläge und arbeiten an deren Realisierung mit, was auch in einer Kleingruppe stattfinden kann. Durch die eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit den Produkten verbessern die Mitarbeiter ihre Fachkenntnisse und das Erfahrungswissen. Die Teilnahme an den angeboten Weiterbildungen vertieft ihre Kenntnisse.

Die tägliche Praxis: Das 5S-Prinzip

Um die Prinzipien und Denkweisen im Alltag anzuwenden, haben die Anhänger der Lehre eine ganze Reihe von Verhaltensregeln und entsprechende Werkzeuge entwickelt. Jeder Mitarbeiter soll diese Hilfsmittel einsetzen und ihnen entsprechen. Das 5S-Prinzip ist ein Beispiel für die praktischen Anleitungen.

  • Seiri: Ordnung schaffen: Alles Unnötige sollte aus dem Arbeitsbereich entfernt werden.
  • Seiton: Ordnungsliebe: Was nach Seiri noch am Arbeitsplatz vorhanden ist, muss geordnet sein. Die Dinge am richtigen Platz aufbewahren.
  • Seiso: Den Arbeitsplatz sauber halten.
  • Seiketsu: Ordnung und Sauberkeit sind persönliche Anliegen der Mitarbeiter.
  • Shitsuke: Disziplin: Lege Standards fest, um das 5S-Prinzip zur Gewohnheit werden zu lassen.

Das Ishikawa-Diagramm

Diese Checkliste ist eine weitere Hilfestellung, um den Arbeitsprozess zu optimieren. Die wichtigsten Aspekte, die ständig überprüft werden müssen, sind in der 7M-Liste zusammengefasst:

  • Mensch
  • Maschine
  • Material
  • Methode
  • Milieu, Mitwelt, Umwelt
  • Management
  • Messbarkeit

Tradition und die neue Lehre

Ursprünglich in der Autoindustrie entwickelt und auf ihre Fertigungs- und Montageprozesse abgestimmt, wurde die Methode aber auch zunehmend für andere Branchen interessant. Denn immer herrscht das Bedürfnis nach Verbesserung von Abläufen, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Qualität und Leistungen bedürfen fortwährender Optimierung. Deshalb unterliegen Produkte und Dienstleistungen mit ihren entsprechenden Prozessen einer ständigen Kritik. Die Lehre von der ständigen Optimierung ist mittlerweile eine universelle Denkweise in Unternehmen aller Branchen geworden und ein fester Bestandteil der Philosophien von Unternehmern und ihren Mitarbeitern.

Üblicherweise sind den Hierarchien entsprechend die Funktionen klar verteilt. Nur einige wenige Manager sind damit befasst, über Produktion und Abläufe nachzudenken, Änderungen vorzuschlagen und das Unternehmen weiter zu entwickeln. Mit der Lehre von den ständigen Verbesserungen hat jeder Mitarbeiter nun die zusätzliche Aufgabe, über die Produkte nachzudenken. Seine Vorschläge sind gefragt, wenn es um Änderungen an seinem Arbeitsplatz geht, ob er vereinfacht oder optimiert werden kann.

Die Überlegenheit einer praktischen Philosophie

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde es in Unternehmerkreisen zunehmend bewusst, dass japanische Autoproduzenten den Konkurrenten in Europa und den USA deutlich überlegen waren. Am Ende des Jahrzehnts veröffentlichten drei amerikanische Wissenschaftler eine bahnbrechende Studie: „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ (The Machine That Changed the World).

James P. Womacki, Daniel T. Jones und Daniel Roos hatten die Stimmungen und Vermutungen aufgegriffen und die japanische Methode genauer untersucht. Auch der Begriff „Lean Production“ (schlanke Produktion) entstand in dieser Zeit, wurde später zu „Lean Management“ weiter entwickelt. Beide Begriffe sind heute Paradigmen der Betriebswissenschaft, und die Prinzipien fanden nicht nur in der Industrie Aufmerksamkeit, sondern in allen Branchen.

Die Autoren stellten in ihrer Untersuchung heraus, das Prinzip der andauernden Verbesserung sei auch ein wesentliches Element der Lean Production. Und weil auch hier die Japaner mittlerweile führend und Vorbild waren, wurde die Methode weltweit populär.

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